Zum Inhalt springen

Franz Hümmer

Der Hutzelmacher aus Fatschenbrunn

Projekt: Schrumpelfrüchte sind die wahren Schätze
Franz Hümmer (Foto: Carla Hauptmann)
Franz Hümmer (Foto: Carla Hauptmann)
© Carla Hauptmann
Der Hutzelmacher aus Fatschenbrunn
Wie kann etwas, das so unscheinbar, um nicht zu sagen unattraktiv aussieht, so gut schmecken? Für Foodstylisten sind Hutzeln eine echte Herausforderung, für Franz Hümmer „die Krönung der Wertschöpfungskette“. Auf dem Küchentisch der Hümmers im unterfränkischen Fatschenbrunn steht eine Platte mit getrockneten Birnen, Zwetschgen und Hutzelbrot. Lecker. Hutzeln, das sind „mit Stumpf und Stiel getrocknete Birnen“, sagt Franz Hümmer. Kletzen oder Dörrbirnen heißen sie auch, je nach Gegend, und manchmal sind mit Hutzeln auch getrocknete Zwetschgen gemeint. In Fatschenbrunn aber ist die Bedeutung jedem klar. Hier wächst man mit Hutzeln auf, das war bei Franz Hümmer schon so, und zum Glück interessieren sich die jungen Leute im Dorf heute auch noch dafür.

Im Verhältnis 1:5
Verwunderlich ist das nicht, „hier haben Babies statt Schnuller Hutzeln im Mund“, behauptet Franz Hümmer. Das glaubt man sofort, wenn man ihm eine Weile zuhört. Hier ist jemand mit brennender Leidenschaft bei der Sache, einer Leidenschaft, die sich seit Kindesbeinen wie selbstverständlich entwickelt hat. Wer heute Fatschenbrunn googelt, landet sehr schnell bei Hutzeln und bei Franz Hümmer. Er betreibt noch eine Därre, also einen Ofen, in dem die Birnen getrocknet, gedörrt werden. Die Därre ist ein eigenes Gebäude, zehn gibt es noch davon im Dorf, früher waren es über dreißig. Heute machen nur noch Hümmer und eine weitere Familie Hutzeln. Fünf Kilo frische Birnen braucht man für ein Kilo Hutzeln. Birnen, die seit Jahrhunderten in einer ganz speziellen Sortenvielfalt rings um das Dorf wachsen. Sehr viele Birnbäume, tausende seien das früher gewesen, sagt Hümmer. Die Besonderheit daran ist, dass sie nicht auf Wiesen, sondern auf Äckern stehen. Baumfelderkultur ist der Fachausdruck dafür, und für Franz Hümmer ist dieses uralte Agroforst-Symstem – eine jahrhundertealte Kombination aus Acker- und Obstbau – ein Vorbild für kluge Strategien auf die Klimaveränderung zu reagieren.
Mehr unter: Schrumpelfrüchte sind die wahren Schätze

Mit Liebe trocknen
Mehr als einhundert eigene Bäume hat er selbst auf extensiv bewirtschafteten Flächen stehen. Einige davon sind 180 bis 200 Jahre alt, darunter sind seltene lokale Birnensorten, die nur noch in Fatschenbrunn vorkommen. Wie schon sein Vater hat er über die Jahre immer wieder neue Bäume nachgepflanzt. Schon als Kind hat er mitgeholfen, die Birnen aufzulesen, das Hutzelmachen war in seiner und den anderen Fatschenbrunner Familien selbstverständlich, und für ihn ist es das auch geblieben. Hauptberuflich macht er heute etwas ganz anderes, aber auf die Frage, wie viel seiner Freizeit er mit dem Thema Hutzeln verbringt, hat er erst mal keine Antwort. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen Freizeit und Arbeit, „das ist doch keine Belastung“ sagt er fast ein wenig erstaunt. Der Urlaub geht sowieso für das Hutzelmachen drauf, im Herbst sind Hümmer und seine Familie im Dauereinsatz. Birnen ernten, aussortieren, auf spezielle Holzrahmen, die „Därrhärrli“ setzen und die Birnen in die Därre schieben. Drei bis fünf Tage dauert es, bis eine Birne trocken ist. Dafür füttert Franz Hümmer den Ofen alle sechs Stunden mit Holz aus dem eigenen Wald, sortiert fertige Hutzeln aus, legt frische Birnen nach und schichtet die Gitter je nach Trocknungsgrad der Früchte permanent um. Denn die vielen verschiedenen Sorten verhalten sich beim Dörren eben auch unterschiedlich. Viel Erfahrung verlangt das – und eine große Liebe zu den kostbaren Rohstoffen.

Mehr als museumsreif
Die fertigen Hutzeln bekommen eine schöne Verpackung und werden vor Ort und online verkauft. Auf dem Münchner Viktualienmarkt sind sie zu haben, Gastronomen aus der slow-food-Szene interessieren sich dafür und ein namhafter Pralinenhersteller entwickelt gerade Hutzelpralinen. Außerdem gehören sie fest zur Fatschenbrunner Küche. Pesto, Hutzelbraten, Nachtische, Hutzeln im Speckmantel – „es gibt nichts, wofür man Hutzeln nicht verwenden kann“, darin sind sich die Hümmers einig. Ein Kochbuch ist in Arbeit. Franz Hümmer treibt aber noch mehr um. Er möchte diese einzigartige Bewirtschaftungsform mit den Baumfeldern und diese kostbare Sortenvielfalt in einem Hutzelinformationszentrum mehr Menschen zeigen. Dafür steht er in den Startlöchern, 2019 soll Baubeginn dafür sein und Museum, eine neue Därre, Hofladen, Veranstaltungsräume und eine Wirtschaft beherbergen. „Beim Amt für Ländliche Entwicklung bin ich damit auf offene Ohren gestoßen“, freut er sich.

Fernost in Fatschenbrunn
Es muss aber schon mehr sein als der Sinn für Traditionen, was Franz Hümmer antreibt. Sein Engagement hinterlässt Spuren in der Landschaft, „aber das ist nicht das Ziel“, wie er betont. Fatschenbrunn könnte Vorbild sein, diese biologische Vielfalt nicht nur zu erhalten, sondern auch weiter zu fördern. Interesse hat er dafür vom anderen Ende der Welt erfahren. Über seinen online-Auftritt und einige Berichterstattungen ist eine Universität aus Shanghai auf Fatschenbrunn aufmerksam geworden. Hochrangige Vertreter waren auf Welttour, um sich Projekte der ländlichen Entwicklung anzuschauen. Da waren sie bei Franz Hümmer richtig, „die haben mir ein Loch in den Bauch gefragt und konnten gar nicht glauben, dass in Fatschenbrunn das Meiste aus Eigeninitiative entstanden ist.“ Überhaupt freut es ihn, durch dieses Thema ein interessantes Netzwerk aufbauen zu können und viele Experten kennenzulernen.

Den Gipfel im Blick
Alleine könnte Franz Hümmer all das nicht machen, deshalb ist er froh, dass er neben der Familie noch Mitstreiter im Dorf hat, die alle für die Fatschenbrunner Vielfalt brennen. Kürzlich hat Hümmer sogar erreicht, dass die Fatschenbrunner Baumfelderkultur und die Dörrobstherstellung in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden. Weltkulturerbe ist nun das nächste Ziel. „Aber“, schreibt er dann noch in einer Mail, „schon Reinhold Messner wusste, dass der letzte Schritt zum Gipfel der schwerste ist. Darum hat er sich ja auch Hutzeln als Proviant mitgenommen“.

Mehr über den Hutzelmacher aus Fatschenbrunn und seinem Projekt Schrumpelfrüchte sind die wahren Schätze

Kontakt:
Verein zur Förderung der Fatschenbrunner Hutzeln und Kulturlandschaft e.V.
Markertsgrüner Weg 3
97514 Fatschenbrunn
Email:franz_huemmer@web.de
www.hutzeln.net
Vorheriger Land.Beleber Nächster Land.Beleber