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Michael Ferstl

Der Wiederbeleber der Landschaft

Projekt: Eine Perle der Biodiversität
Die Heckrinder von Michael Ferstl pflegen die Landschaft im oberpfälzischen Hannesried (Bild: C. Hauptmann)
Die Heckrinder von Michael Ferstl pflegen die Landschaft im oberpfälzischen Hannesried (Bild: C. Hauptmann)
© Carla Hauptmann
Da steht er. In größter Ruhe und Auge in Auge mit seiner Herde Heckrinder. Mächtige Hörner haben die, so wie ihre Urverwandten, die Auerochsen. „Kurti komm“, lockt Michael Ferstl das größte Tier der Herde, doch Kurti will heute ausnahmsweise keine Streicheleinheiten. Lieber erledigt er seinen Job als Landschaftspfleger, denn genau dafür hat Michael Ferstl ihn und 17 andere Heckrinder als Weidetiere in die Markbachaue im oberpfälzischen Hannesried gestellt. Damit sind sie Teil einer Strategie, mit der Michael Ferstl Lebensräume schaffen und möglichst natur- und ressourcenschonend leben will.

Natur zurückgeben
Jeder andere sollte den Heckrindern besser nicht zu nahe kommen, es braucht schon ein besonderes Gespür für die Tiere. Und für die Natur als Ganzes, nur dann kann man einen Lebensentwurf verfolgen, wie ihn Ferstl gewählt hat. „Ich versuche, der Natur Flächen zurückzugeben“, das ist sein Plan. Dafür kauft oder pachtet er Wiesen und Äcker, die landwirtschaftlich bearbeitet werden und nimmt sie aus der intensiven Nutzung heraus. Sät stattdessen Blühflächen darauf, pflanzt Streuobstwiesen und Hecken, macht Weiden für Schafe und Heckrinder daraus oder legt Mischwald, Weiher und Feuchtbiotope an. Warum? Weil er mit der konventionellen Landwirtschaft und den vielen Biogasäckern um ihn herum hadert. „Tote Flächen haben wir genug, da ist kein Wurm mehr im Boden,“ klagt er, „was macht es für einen Sinn, Futterweizen anzubauen, den in die Biogasanlage zu kippen und dann Kraftfutter aus dem Ausland zuzukaufen?“ Dem will er etwas entgegensetzen. Böden wieder aufbauen und mehr Vielfalt in die Landschaft bringen. Deshalb hält er laufend nach Flächen Ausschau, die er „naturnah bewirtschaften und wieder beleben kann“, wie er sagt.

Gummistiefel, Zeit und Biber
Michael Ferstl ist eigentlich gar kein gelernter Landwirt. Er stammt zwar aus einem Bauernhof, führt aber im Haupterwerb eine eigene Zimmerei, wo er ausschließlich Naturmaterialien verwendet. Seine landwirtschaftlichen Flächen bearbeitet er nebenbei, doch die viele Arbeit, die damit verbunden ist, ist für ihn selbstverständlich „und jede Mühe wert“, wie er sagt. Seine Wiesen mäht er nur einmal im Jahr und das mit einem Doppelmessermähwerk. „Ist insektenschonend“, erklärt er, das Gerät hat er extra angeschafft. Auf Pflanzenschutz verzichtet er komplett, deshalb sticht er den Ampfer auf seinen Flächen von Hand aus. Das braucht natürlich Zeit. Doch die nimmt er sich, auf jeder seiner Flächen. Zum Beispiel auch auf der Auwiese: „Ich will nicht in Ägypten Pyramiden anschauen, ich gehe lieber zum Biberdamm und schaue, dass das Wasser vom Bach in die richtigen Flächen reinläuft“, erklärt Michael Ferstl. Da guckt er nicht nur gerne zu, sondern schubst den ein oder anderen Ast des Biberbaus in die passende Spur, damit es keinen Ärger mit angrenzenden Landwirten gibt. „Es braucht nur Gummistiefel, Zeit und einen Biber, dann entwickelt sich ganz von selbst ein neuer Wasserlauf“, davon ist er überzeugt und er stapft in ebendiesem Schuhwerk voran durch die Feuchtwiese, die so zum riesigen Lebensraum der Vielfalt geworden ist. Das Team Ferstl/Biber hat hier ganze Arbeit geleistet.

Selbstversorgung
Ein Ökoromantiker ist er nicht, davon ist Michael Ferstl weit entfernt. Vielmehr ist er fest mit der Heimat verwurzelt und mit einer tiefen Liebe zur Landschaft ausgestattet. Wer mit ihm über all seine Flächen streift, die verstreut in der ganzen Gegend liegen, und die er mit neuer Vielfalt geimpft hat, der erahnt, welchen Wert das für ihn hat. Nicht in finanzieller Hinsicht. „Natur- und ressourcenschonend leben“, das ist seine Maxime und auch seine Frau und die beiden erwachsenen Söhne leben diesen Gedanken ganz konsequent. Deshalb der ganze Aufwand, und deshalb versuchen sie auch, sich weitgehend selbst zu versorgen. Für den Eigenbedarf halten sie Hasen, Gänse, Hühner, Puten, Schafe, Bienen, manchmal auch Schweine, und sie bauen Gemüse und Obst an. Ganz naturnah und als Teil einer Vielfaltsumgebung, und all das landet in verarbeiteter Form auf dem Familientisch. Was sie zukaufen, muss regional oder bio sein. „Ich will einfach gute Lebensmittel“, sagt Michael Ferstl, das sind seine Werte.

Von Vielfalt umgeben
Rund um Ferstls Wohnhaus und Zimmerei in Rötz-Voitsried ist alles eingegrünt, wie eine wogende Insel der Vielfalt steht das Anwesen inmitten einer intensiv bewirtschafteten Landschaft. „Vorher war hier gähnende Leere“, sagt Michael Ferstl und zeigt ein altes Luftbild seines Grundstücks. Davon ist hier nun keine Spur mehr, er hat gründlich aufgefüllt mit Vielfalt: Mit einer Streuobstwiese, mit dichten Hecken, großen Bäumen, dem üppigen Nutzgarten, den Flächen am Bach, auf denen es wild wachsen und blühen darf und nicht zu vergessen den über tausend Quadratmetern Dachbegrünung, die er auf vielen Betriebsgebäuden und den Unterständen für die Tiere angelegt hat. Er ist einfach ein unermüdlicher Pionier, einer der konsequent und nicht selten kompromisslos seinen Weg geht und ständig neue Ideen hat. Und Stück für Stück daran arbeitet, Spuren der Vielfalt in die Landschaft zu legen, in der Hoffnung, dass daraus irgendwann noch viel mehr wird.

Lesen Sie mehr zur Förderung der Biodiversität in Hannesried unter: https://land-belebt.bayern/projekte/eine-perle-der-biodiversitaet
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