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Eine gute Zukunft für die erlesene Andechser Kulturlandschaft

Wärmeliebender Kalkmagerrasen am Breitenberg mit davor angrenzender extensiv bewirtschafteter Wiese. (Foto: S. Schulz)
Wärmeliebender Kalkmagerrasen am Breitenberg mit davor angrenzender extensiv bewirtschafteter Wiese. (Foto: S. Schulz)
© S. Schulz
Die Gegend um Andechs und Frieding ist abwechslungsreich und bewegt. Bewaldete Hügelspitzen, offene Hänge, magere und intensiv bewirtschaftete Wiesen und Äcker wechseln sich harmonisch ab. Hochwertige Kalkmagerrasen, magere Flachland-Mähwiesen und wertvolle Toteislöcher mit ihren ganz speziellen Lebensbedingungen bilden wichtige Biotope für Pflanzen und Tiere in der ansonsten intensiv landwirtschaftlich genutzten Landschaft und fördern so die Artenvielfalt.
Das Verfahren Frieding III startete bereits 2002 und hatte den langfristigen Erhalt dieser einmaligen Landschaft und damit das Sichern einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zum Ziel. Die örtlichen Landwirte, die sich zur Teilnehmergemeinschaft des Verfahrens zusammengeschlossen hatten, die Schutzgemeinschaft Ammersee Süd und die Gemeinde arbeiteten dazu sehr eng zusammen. Mit viel Kreativität und hohem Engagement wurden von und mit den Beteiligten praktikable Lösungen gefunden, um etwa 18 Hektar Flächen im Rahmen der Bodenordnung neu und sinnvoll zu verteilen, Wege zu bauen und einen Biotopverbund zwischen dem Breitenberg und der benachbarten Rückzugsmoräne durch Landtausch und -kauf zu schaffen. Das Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern (ALE Oberbayern) und auch der Bayerische Naturschutzfond förderten das Verfahren, weil die Flächen aus deren Sicht eine so hohe naturschutzfachliche Bedeutung für die Region haben. Als einer der letzten Verfahrensschritte fand im August 2019 die Übergabe der Landschaftspflegeflächen der Teilnehmergemeinschaft an die Gemeinde Andechs statt.

Das Gebiet um die Gemeinde Andechs im Zentrum des Fünfseenlandes zwischen dem Ammersee im Westen und dem Starnberger See im Osten entstand während der Würm-Eiszeit und ist eine typische Jungmoränenlandschaft. In den fruchtbaren Tälern zwischen den Hügeln siedelten sich Menschen an und gewannen durch regelmäßige Waldrodungen immer größere Ackerflächen, die bis heute bewirtschaftet werden. Hügelgräber aus der Zeit 800 bis 400 v.Chr. sind heute zum Teil noch in der Landschaft sichtbar. In der Nähe der Siedlungen war der Boden etwas fruchtbarer, denn dort konnten leichter Nährstoffe zugeführt werden. Die weiter entfernten Felder und Wiesen waren magerer, also nährstoffärmer.

Auf den ebenfalls mageren Hängen der Jungmoränen bildeten sich durch Beweidung häufig Naturbesonderheiten wie die artenreichen Magerrasen aus, die in Resten heute noch zu finden sind. Im Gebiet um Frieding liegen häufig Drumlins, kleinere, tropfenförmig geformte Hügel. Ihre lange Seite weist in Fließrichtung der eiszeitlichen Gletscher. Ein weiterer typischer Lebensraum sind die Toteislöcher, die durch abgebrochenes Gletschereis, dem sogenannten Toteis entstanden sind. Dies wurde mit Sediment vom schiebenden Gletscher bedeckt. Als das Eis schmolz, blieb eine Mulde mit Sediment übrig, die sich mit Grundwasser füllte. Seltene Biotope mit Nassvegetation entwickelten sich hier. An solchen Standorten wachsen viele verschiedene Pflanzenarten, die sich an diese speziellen Bedingungen angepasst haben, viele Insekten anlocken und für ein buntes Bild im Frühjahr und Sommer sorgen. Sie sind sehr wichtig für den Erhalt der Biodiversität.

Die Geschichte von Andechs selbst reicht bis ins 10. Jahrhundert zurück und prägte die Landschaft stark aus kulturhistorischer Sicht. Die Grafen der Andechs-Meranier bauten damals eine Burganlage, auf der sie bis etwa Mitte des 13. Jahrhunderts herrschten. Schon 1128 verpflichteten sie ihre Untertanen, einmal pro Jahr nach Andechs zu pilgern, um den dort verwahrten Reliquien zu huldigen. 1211 ging ein Großteil der Besitztümer an die Wittelsbacher, die 1455 dort auf dem „Heiligen Berg“ (Mons Sanctus Andechs) das Kloster Andechs gründeten, das bis heute Pilger anzieht. Die Benediktinermönche betrieben viele Jahrhunderte lang Landwirtschaft in unterschiedlichster Form.

Zwei historische Bewirtschaftungsmethoden wurden damals hauptsächlich genutzt: Die Egartwirtschaft, eine Ackerbau-Grünland-Wechselwirtschaft, bei der der brachliegende Acker mehrere Jahre als zweischürige Wiese dient, bevor er wieder umbrochen wird. Die so entstandenen alten Ackerterrassen sind heute noch sichtbar. Die Hardtlandschaft mit parkartigem Weidewald, Weidegrünland und freistehenden Hute-Eichen wurde mit Rindern beweidet. Diese Flächen gehörten überwiegend zum Kloster Andechs. Alte Flurnamen geben ebenfalls Hinweise auf klimatische Besonderheiten und alte Nutzungsformen. Der Flurname „Windfluss“ weist beispielsweise auf regelmäßigen Wind in eine Richtung hin, entsprechend trocken und mager sind diese Wiesen und Äcker. Die Bodenfeuchtigkeit und -krume wird vom Wind einfach weggeblasen. Der Name „Buckelwiese“ weist auf eine buckelige Morphologie der Wiesen hin.

Heutzutage findet in der Gegend um Andechs überwiegend intensiver Ackerbau statt und viele der auf extensive Nutzung angewiesenen Landschaftselemente wie Flachland-Mähwiesen oder Magerrasen nehmen ab. In der Region finden sich auch einige international geschützte Flora-Fauna-Habitate (FFH-) und Moränen-Magerrasenflächen mit hohem Artenpotential, die bewahrt werden müssen. Rote-Liste-Arten wie die Gewöhnliche Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) und die Hummel-Ragwurz (Ophrys holoserica) wachsen hier noch. Nach den Kriterien des Arten- und Biotopschutzprogrammes (ABSP) in Bayern handelt es sich „um das bedeutendste Schwerpunktgebiet präalpiner Kalkmagerrasen über Jungmoränen-Standorte des gesamten bayerischen voralpinen Hügel- und Moorlandes und umfasst Vorkommen mit zentraler Erhaltungsbedeutung, die als „landesweit bedeutsam“ einzustufen sind.“ Ist man dort als Spaziergänger unterwegs, wirkt die Landschaft harmonisch und sehr erholsam, ein wunderbarer Nebeneffekt.

Langfristige landschaftspflegerische Maßnahmen sind nun notwendig, um die verschiedenen Biotoptypen im Gebiet zu erhalten und weiterzuentwickeln, denn diese übernehmen wichtige Funktionen im Naturhaushalt. Hecken, Feldgehölze und Einzelbäume bieten Vögeln und kleinen Säugetieren wie der Haselmaus Unterschlupf. Auf Magerrasen, Ruderalflächen und Waldrändern wachsen viele Pflanzenarten, die Schmetterlinge wie den Himmelblauen Bläuling (Polyommatus bellargus), den Graubündigen Mohrenfalter (Erebia aethiops) und andere Insekten anlocken, die wiederum Pflanzen bestäuben und als Nahrung für viele Tiere, zum Beispiel die Goldammer (Emeriza citrinella) dienen. In und an Gräben, Bächen und Feuchtflächen leben Libellen, Amphibien und Fische.
Für die Gemeinde Andechs wurden pro Biotoptyp Pflege-Maßnahmen zusammengestellt, die beim Ortstermin 2019 genau besprochen wurden. Zum Beispiel beim Räumen von Gräben muss lt. Bundesnaturschutzgesetz sehr behutsam vorgegangen werden, um die dort lebende Tier- und Pflanzenwelt nicht zu beeinträchtigen. Zum naturschonenden Grabenräumen ist der passende Baggerlöffel und für die Uferböschung der richtige Mahd-Termin entscheidend. Auch die Grünlandflächen des Biotopverbundes am Breitenberg werden nun von aktiven Landwirten extensiv bewirtschaftet, um die Artenvielfalt zu bewahren und den Genaustausch innerhalb einer Art zu gewährleisten.

Die viehhaltende Landwirte können die extensiv bewirtschafteten Flächen gut in ihr Betriebskonzept integrieren. Erste Erfolge dieser produktionsintegrierten Pflegemaßnahmen sind schon sichtbar. Einige Grünländer sind bereits weitgehend extensiviert. Die Mahd erfolgt hier erst ab dem 15.6. und es wird nur Festmist und keine Gülle mehr ausgebracht. So wird hier der Nährstoffgehalt auf ein niedriges Niveau reduziert und es breiten sich wieder mehr Pflanzen- und Tierarten aus. Für Wiesenbrüter in Feuchtwiesen wie den Kiebitz (Vanellus vanellus) ist durch den späten Mahdtermin eine ungestörte Jungenaufzucht möglich.


Unter Artenvielfalt oder Biodiversität versteht man das Vorhandensein vieler verschiedener Arten in einem Biotop oder einem Lebensraum. Wenn sich irgendwann Lebensbedingungen wie Klima, Fressfeinde, Krankheitserreger, Bodenzustand oder Grundwasserstand etc. verändern, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass es Arten gibt, die die Veränderung langfristig überleben werden. Unter Umständen sichert das auch einmal unser Überleben, wenn die aktuell landwirtschaftlich genutzten Arten durch Veränderungen nicht mehr ertragreich genug sein sollten. Sind jedoch die Biotope zu klein und damit zu wenig Individuen einer Art vorhanden, oder sind sie zu weit voneinander entfernt, die Arten können nicht zum nächsten Standort gelangen und es kann kein Austausch innerhalb einer Art mehr stattfinden, entsteht der Verinselungseffekt. Dies führt dann zu „Inzucht“ mit gravierenden Folgen. Daher ist neben dem Erhalt der Biotope ein sinnvoller Biotopverbund, in dem die einzelnen Lebensräume über Korridore oder Trittsteine verbunden sind, sehr wichtig.
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