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Begehrte Plätze auf den Sonnenterrassen

Die Weinbergterrassen zwischen Klingenberg und Erlenbach prägen das Landschaftsbild am Untermain
Die Weinbergterrassen zwischen Klingenberg und Erlenbach prägen das Landschaftsbild am Untermain
© Land:Belebt
Was haben guter Wein und Zauneidechsen gemeinsam? Nun - beide brauchen viel Sonne und Wärme, und beide finden in den steilen Weinberghängen am Main beste Bedingungen. Die Sanierung der Trockenmauern in den Terrassenweinbergen rund um das unterfränkische Klingenberg am Main hat dafür gesorgt, dass sowohl die Lebensräume einer ganz besonderen Artenvielfalt als auch die charakteristische Kulturlandschaft erhalten bleiben.

Es verlangt den Winzern schon einiges ab, am Untermain im Landkreis Miltenberg ihren Wein anzubauen, denn die extrem steilen Terrassenhänge machen es nicht gerade einfach, dort zu arbeiten. Viel Handarbeit, kaum Maschineneinsatz, schmale Wege und alles muss über enge Treppen und Trockenmauern transportiert werden – so mancher Weinberg wurde da schon aufgegeben. Andererseits prägen die Terrassenweinberge dort seit Jahrhunderten die Kulturlandschaft, die roten Buntsandsteinmauern und -treppen in Klingenberg stehen sogar unter Denkmalschutz. Und genau diese Extremlagen sind es, die auch aus naturschutzfachlicher Sicht als Lebensräume für spezielle Pflanzen- und Tierarten wertvoll sind. Die Sanierung von über vierzig Kilometern Weinbergmauern und -treppen war also ein wichtiger Teil der Maßnahmen in der Flurneuordnung in Klingenberg, Großheubach und Erlenbach, berichtet Peter Doneis vom Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken in Würzburg. Wichtig für den Erhalt des Weinbaus und wichtig für die biologische Vielfalt.

Weinbau erhält Vielfalt
Was für beste Weine gut ist, ist auch gut für spezielle Pflanzengesellschaften: Die trockenen, sonnenexponierten Lagen, das milde Klima und die Trockenmauern aus saurem Buntsandstein machen die Weinbergterrassen zwischen Erlenbach und Klingenberg zu einem bayernweit wichtigen Verbreitungsschwerpunkt von mehreren Mauerfarnarten. Und wie ein guter Weinklimaschrank bietet auch eine Weinbergmauer unterschiedliche Temperaturzonen für die besonderen Schätze: Die Mauerkrone, die Fugen und die Schattenseite der Mauer beherbergen jeweils unterschiedliche Pflanzenspezialisten, wie Steinbrech- oder Mauerpfefferarten, Lerchensporn oder eben Farne. Am Fuß der Mauer wachsen gerne auch Arten, die Aufschluss auf den Stickstoffgehalt im Boden geben können. Schlingnattern, Zauneidechsen, Wildbienen, Hummeln und viele andere wärmeliebende Tierarten haben hier ihren Lebensraum. Fluginsekten nutzen die Steine als Sonnenterrasse und in den Mauerfugen brüten Vögel. Doch werden Weinberge in diesen steilen Lagen aufgegeben, verschwinden auch die Lebensräume solcher Spezialisten. Denn die aufgelassenen Flächen werden bald verbuschen, also von Gehölzen überwuchert, und die Artenvielfalt nimmt dann deutlich ab. Die Naturschutzbehörden haben deshalb großes Interesse daran, dass sowohl die wirtschaftliche Nutzung als auch ein Mosaik an verschiedenen Lebensräumen in den Terrassenweinbergen erhalten bleibt.

Handarbeit für Eidechsen
Dafür wurden eingefallene Trockenmauern neu errichtet und gesichert. Doch die alte Bauweise war nicht überall geeignet, den Lasten moderner Geräte und Maschinen standzuhalten. Gemeinsam mit der Naturschutzbehörde einigte man sich darauf, entlang von Fahrwegen Gabionen, befüllt mit Buntsandstein, zur Hangsicherung zu verwenden. Das jedoch mit reptilienfreundlichem Bedacht: Die Steine wurden von Hand in die Drahtkörbe geschichtet und alle fünf Meter blieb ein daumendicker Spalt frei, damit die Zauneidechsen zum Überwintern bis zum frostfreien Erdreich durchschlüpfen können. Aus dem gleichen Grund wurde auch das Geotextil, ein Vlies, das zwischen gewachsener Erde und Gabionen eingebaut wird, nicht bis zum Boden gezogen.

Ein guter Plan am runden Tisch
Doch es musste auch insgesamt eine gute Grundlage für die Zukunft her, mit der alle arbeiten konnten und die klar machte, wie sich die Weinbergterrassen entwickeln sollten. Auf Initiative der Winzer trafen sich Behördenvertreter, die drei Gemeinden, die Veitshöchheimer Landesanstalt für Weinbau- und Gartenbau und der Landschaftspflegeverband mit der Winzerschaft von 2005 bis 2015 immer wieder zu einem runden Tisch. Ein Landschaftsplaner erstellte ein Pflege- und Entwicklungskonzept und gemeinsam stimmte man sich ab, welche Flächen wie genutzt werden sollten, damit eine wirtschaftliche und artenreiche Standortvielfalt entstehen konnte. Brach liegende Flächen werden nun jährlich gemäht und gemulcht, damit sie nicht zuwachsen. An anderen Stellen wurden Hecken gezielt erhalten. Bedenken der Winzer, sich dadurch mehr Schädlinge und Pilzkrankheiten in die Rebflächen zu holen, räumte man aus, indem man am runden Tisch gemeinsam die passenden Flächen auswählte.

Vielfältige Landschaft macht guten Wein
„Die Flurneuordnung war schon seit 1985 in Gang, doch das Denken der Winzer hat sich seitdem stark verändert“, sagt Peter Doneis, „wir sind nicht nur mit der Zeit gegangen, wir haben uns gewandelt“. Offenbar – denn in Klingenberg werden mittlerweile sechzig Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet, damit ist der Ort die größte Ökoweinbaugemeinde Frankens. Die Weinbergterrassen in allen drei Gemeinden sind nun für die nächsten Jahrzehnte gesichert. Das kommt auch dem Tourismus zugute, denn die Kulturlandschaft zieht viele Gäste an, die nicht nur Wein trinken, sondern auch sehen und erleben möchten, wo und wie die guten Tropfen wachsen. Ein vielfältiges, attraktives Landschaftsbild ist da klar von Vorteil, umso mehr, wenn eine aufgeschlossene Winzerschaft tatkräftig daran arbeitet, die biologische Vielfalt zu fördern. Denn wo sich besondere Tier- und Pflanzenarten wohl fühlen, kann der Wein nur gut sein.

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