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Der grüne Korridor im Gäuboden

Wechselkröten gelten als stark gefährdet. In den offenen Flächen der Haidlfinger Flur finden sie wieder ideale Bedingungen.
Wechselkröten gelten als stark gefährdet. In den offenen Flächen der Haidlfinger Flur finden sie wieder ideale Bedingungen.
© Land:Belebt
Die intensive Agrarlandschaft im niederbayerischen Gäuboden hat in Haidlfing eine grüne Mitte bekommen. Aus dem einst geradlinigen Lohgraben wurde ein beeindruckend breiter Biotopstreifen, der anspruchsvollen Feldvogelarten einen neuen Lebensraum bietet. Das hat sich sogar bis China herumgesprochen. Und auch der Kiebitz hat gleich seine Kinderstube dort eingerichtet.

Zwei chinesische Delegationen waren da, das Fernsehen auch und Naturschutzverbände führen Führungen und Exkursionen zum Lohgraben in der Haidlfinger Flur durch. Sie alle schauen sich an, was dort, inmitten einer strukturarmen und intensiv genutzten Agarlandschaft, an ökologisch wertvollen Lebensräumen entstanden ist. Denn auf einer Länge von über drei Kilometern zieht sich der Lohgraben heute mit einem bis zu fünfzig Meter breiten Biotopstreifen durch die Ackerflächen. „Wir konnten 23 Hektar für ein ökologisches Flurneuordnungsverfahren aufkaufen und in eine 17 Hektar große Biotopfläche am Lohgraben und in weitere sechs Hektar sonstige Biotope umwandeln“, sagt Armin Winner vom Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern (ALE). Davon profitierte am Ende nicht nur die biologische Vielfalt, sondern auch die Landwirtschaft. Denn vorher machte der Graben, der mitten durch Felder mit besten Böden verlief, den Bauern seit Jahrzehnten Probleme.

Beste Böden unter Wasser
Schnurgerade und mit wenig Gefälle zog sich der Lohgraben durch die Ackerlandschaft, ohne natürliche Vorflut versickerte er in den Feldern. Immer wieder standen deshalb große Ackerbereiche nach starken Regenfällen unter Wasser. Auch reichten die bewirtschafteten Flächen bis an seine Ränder, der Nährstoffeintrag machte der Gewässerqualität zu schaffen. Keine befriedigende Situation auf den wertvollen Böden, die Landwirte selbst hatten deshalb den Wunsch, die Situation zu verändern. Was es aber auch gab, waren Laichplätze der Wechselkröte, die galt es zu sichern. Zusätzlich wollte man gezielt solche Feldvogelarten fördern, die offene Flächen brauchen. Deshalb gab das ALE ein ökologisches Entwicklungskonzept in Auftrag, sicherte sich die Flächen und setzte die Maßnahmen in Gang.

Schnelle Erfolge
2015 begannen die Bagger damit, dem Lohgraben unterschiedliche Querschnitte zu geben. Eine breite flache Rinne nimmt nun das Regenwasser auf, stellenweise blieben die Böschungen auch steiler. Flugs haben die Kiebitze ihre Kinderstube dort eingerichtet und schon 2015 zählte Walter Franzisi vom Landesbund für Vogelschutz dreißig Jungvögel. In ausgewählten Abschnitten verschwand der Graben zugunsten großzügiger Bodenmulden, die das Oberflächenwasser aufnehmen. Auch das zeigte schnell Wirkung: Schnepfenvögel, wie Flussufer- und Waldwasserläufer und nordische Watvögel auf der Durchreise finden dort ihre Leckerbissen.

Maßgeschneidert für Wechselkröte und Kiebitz
Gleich sieben maßgeschneiderte Laichgewässer bekamen die Wechselkröten. In Tümpeln, die bis zu fünfzig Quadratmeter Fläche bieten, sorgt eine verdichtete Lehm-Kiesschicht dafür, dass das Wasser darin stehen bleibt. Mit Erfolg, denn schon im ersten Jahr haben sich darin tausende von Kaulquappen zu Kröten entwickelt. Die breiten Kiesstreifen an den Rändern waren zudem eine Einladung an den Flussregenpfeifer, dort zu brüten. Kiebitze und Schafstelzen kommen übrigens gerne zum Baden dorthin.

Speisekammer Flachwasser
Sehr beliebt bei Watvögeln sind auch die Absetzbecken, die dem Lohgraben vorgelagert sind. Diese Flächen haben eine wichtige klärende Funktion für das Wasser. Denn bei starken Regenfällen werden auch viele Schwebstoffe im Wasser transportiert. In den Becken können sich diese ablagern, bevor das Wasser in den Lohgraben fließt. Auch hier profitieren noch andere davon: Die vier Hektar an Flachwasserzonen sind ungeheuer attraktiv für besondere geflügelte Gäste wie Bruchwasserläufer, Kampfläufer, Regenbrachvögel, Krick-, Knäk- und Schnatterenten, Kiebitze und viele andere. Sie gehen in den Becken auf Nahrungssuche. Kein Wunder, denn auch Amphibien, Libellen und viele Insekten fühlen sich hier wohl.

Das grüne Band
Weil „Offenlandvögel“, wie Kiebitz, Feldlerchen, Schafstelzen oder Rebhühner freie Sicht über das Gelände brauchen, blieben siebzig Prozent der gesamten Fläche ohne Bepflanzung. Punktuell bieten kleinere Heckenstreifen Nahrung und Deckung für Tiere und Insekten, und dort, wo die Feldwege den Graben queren, stehen nun großkronige Bäume. Die größte Fläche aber ist als Extensivwiese mit gebietsheimischem Saatgut angelegt, die sich als weiteres, fünfzig Meter breites Band entlang des Lohgrabens durch die Ackerflächen zieht. Schon in der ersten Vegetationsperiode hat sich dort eine Vielfalt an Insekten und Schmetterlingen angesiedelt.

Ein lebendiger Korridor durch die Agrarlandschaft
Biologische Vielfalt inmitten einer intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaft zu schaffen, ist nicht alltäglich. Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein, denn die Erfolge für die Vielfalt haben sich schon im ersten Jahr gezeigt. Ganz besonders freut sich Armin Winner darüber, dass sich so viele Fachleute aus dem In- und Ausland für dieses Projekt interessieren. Vielleicht bekommt der Lohgraben ja ein chinesisches Pendant.
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