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Wo Walnussknacken Kräfte freisetzt

Walnussknacken bedeutet in Winterhausen immer Gemeinschaft
Walnussknacken bedeutet in Winterhausen immer Gemeinschaft
© Stefan Retsch

Wer im November durch Winterhausen geht, bekommt an so manchen Abenden ein ganz bestimmtes Geräusch zu hören. Dann sitzen die „Winterhäuser Walnussknacker“ wieder zusammen und lassen es krachen. Gemeinsam knacken sie die Walnüsse, die sie in der Winterhäuser Flur gesammelt haben. 150 Kilo waren es 2019. „Jeden zweiten Tag gehen wir raus, holen Nüsse und trocknen sie“, berichtet Maria Maak, eine der Initiatorinnen der „Winterhäuser Walnussknacker“. Bis vor wenigen Jahren kümmerte sich kaum jemand um die vielen Nüsse, die einfach nur herunterfielen. Maria Maak und viele andere fanden das mehr als schade. Inspiriert von Frankreich, wo es in jeder Region, sogar in einzelnen Dörfern ganz bestimmte lokale Spezialitäten gibt, dachte sie sich, dass so etwas doch auch in Winterhausen funktionieren könnte. Mit der Walnuss. Denn Wein, wie in den umliegenden Dörfern gibt es hier nur wenig. Dafür aber über tausend Walnussbäume allein rund um das Dorf. „ Aber“, sagt Maria Maak, „jedes Jahr lagen zwar viele Nüsse am Boden, doch man wusste nie, wo man sie holen darf und wo nicht“.

Die Nuss zur Leckerei machen
Das ist heute anders, die Initiative hat einen genauen Überblick, wo sie sammeln darf und will. Auch die Qualität muss stimmen, deshalb kommt nicht jeder Baum in Frage. Mittlerweile gibt es ein gutes Netzwerk, „denn die meisten haben ja mehr Nüsse, als sie brauchen“, sagt Maria Maak. Doch es reicht ja nicht, nur Walnüsse anzubieten, der Initiative war klar, dass sie größer denken musste. Also dachten sie sich feine Rezepte aus, um die Walnuss in Winterhausen aus ihrem Schattendasein zu holen. Seit 2012 verarbeiten sie die Walnüsse zu Pralinen, zu Plätzchen, zu Aufstrich, zu Öl und anderen Köstlichkeiten, und verkaufen all diese Produkte jedes Jahr am Winterhäuser Weihnachtsmarkt. Der Absatz dort ist reißend, und jährlich kommen neue Spezialitäten dazu. Den Erlös spendet die Initiative komplett für wohltätige Projekte.

Auf jeden Fall gemeinsam
Doch vor dem Verarbeiten steht das Nüsseknacken. Mühsam ist das. In großer Runde aber viel leichter. Statt alleine vor einem großen Berg Nüsse zu sitzen, trifft man sich zum Knacken, das ist allen, die dabei sind, ganz wichtig. „Wir haben gar nicht gedacht, dass das Gesellige so eine große Rolle spielt“, erzählt Maria Maak. Mittlerweile sind 20 bis 25 Leute beim abendlichen Walnussknacken im November dabei. Der Platz in der Maak‘schen Küche, in der alles begann, reicht nicht mehr aus, künftig wird in einem Raum der Gemeinde geknackt. Es wird erzählt, gelacht, man sitzt zusammen und hat gleichzeitig das gute Gefühl, etwas zu bewegen und Teil einer guten Sache zu sein. Da passiert so ein fingerstrapazierendes Nüsseknacken fast nebenher. Übrigens hat jeder und jede so seine eigene Technik und eigenes Werkzeug, auf das er schwört. Sogar ein Hammer ist im Spiel. Danach geht’s eng getaktet in den heimischen Küchen weiter, zum Weihnachtsmarkt am ersten Adventswochenende muss schließlich alles fertig sein.

Auf die nächste Schiene setzen
Mit der Nachfrage nach den Produkten steigt gleichzeitig auch die Wertschätzung der eigenen Walnussbäume in Winterhausen. „Die Leute probieren wieder selbst mehr aus und es gibt eine andere Sichtweise auf die Walnussbäume. Das kam schneller als gedacht“, freut sich Maria Maak. Doch der Erfolg bringt die Initiative an ihre Grenzen. Deshalb stand der nächste Schritt an: Passende Partner im Umfeld suchen, die aus den heimischen Walnüssen eigene Produkte entwickeln und vermarkten. Gemeinsam mit der ILE (Integrierte Ländliche Entwicklung) Maindreieck hat die Initiative nun neue Netzwerkpartner gefunden. Mit einer Förderung aus dem Regionalbudget entstand ein Marketingkonzept samt Logo, das die ersten örtlichen Betriebe schon nutzen: Ein Bäcker backt Winterhäuser Walnussbrot, ein Metzger macht Walnuss-Bratwürste, ein Imker legt die Walnüsse in Honig ein und auch ein Restaurant möchte die Walnüsse zu feinen Kreationen verarbeiten. Die Initiative hat noch viele andere Anbieter und Verarbeiter im Sinn, Ölmühlen, Brennereien, Konditoren oder Winzer etwa. Das soll aber erst der Anfang sein. Die Walnussknacker wünschen sich, dass auch die anderen der zwölf ILE-Gemeinden mit aufspringen und die Walnuss wieder als Edelfrucht, heimisches Superfood und besondere Spezialität Mainfrankens schätzen und nutzen.

Mehr als Walnüsse
Die Winterhäuser Walnussknacker haben die erste harte Nuss geknackt, die Walnuss ist im Gespräch in der Gegend. Aber nicht nur das. Alle, die in der Initiative mitarbeiten, bringen ihre ganz unterschiedlichen Fähigkeiten und Kompetenzen ein. Es wird genetzwerkt, Rezepte erdacht, der Weihnachtsmarktstand gebaut, es gibt eine Website, der Fotograf, der zur Gruppe gehört, macht hinreißende Postkarten und sogar eine Wanderausstellung haben die kreativen Walnussknacker konzipiert. „Da stecken so viele Dinge drin“, sagt Maria Maak, „ein sinnerfülltes Leben, das Gefühl, mit etwas Kleinem etwas Positives erreichen zu können, Freude daran zu haben“. Die Walnuss ist nicht nur Superfood, in Winterhausen setzt sie auch noch ganz andere Kräfte frei.
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