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Vom Glück, Sinnvolles zu tun und von Gemeinschaft, die daraus entsteht

In Frickenhausen stärken gemeinsame Projekte die Resilienz des Ortes

Junge Frauen pflanzen ihren Familienbaum in Frickenhausen
Mit den Familienbäumen auf dem Mehrgenerationenplatz entsteht eine intensive Verwurzelung mit dem Ort
© Christof Wegner
Schon von Weitem sieht man, dass hier etwas ganz Besonderes passiert sein muss. Weidenstämme mit frischen Schöpfen, ein Zaun, an dem bunte Bänder und Dosen baumeln, Mulden und Hügel, dazwischen ein paar Holzstämme, hier und da Bänke, die aussehen, wie dorthin gewachsen. Selbst im Spätherbst erkennt man die Pflanzenvielfalt, die hier für ordentliches Summen und Brummen sorgt. „Der Platz oben“, wie er in Frickenhausen heißt, bietet für alle etwas. Beim Näherkommen und im Gespräch mit Christof Wegner, der den Platz zusammen mit der Dorfgemeinschaft gestaltet hat, öffnet sich die ganze Tiefe des Raums und der Idee, die dahintersteckt. „Unsere Aufgabe ist es, das Paradies sichtbar zu machen“, sagt Christof Wegner, der Initiator des Projektes. Eine große Aufgabe? So entspannt, wie er das sagt, scheint das in Frickenhausen gar nicht so schwierig zu sein.

Die Gestaltung des Paradieses
Die Hügel und Senken, die Holzstämme und Matschecken sind der heißgeliebte Spielplatz. Eltern und Großeltern schätzen es, dass es hier außer einer Rutsche und einer Nestschaukel keine anderen Spielgeräte gibt. Wozu auch? Die Natur macht hier mehr als genug Angebote und lässt die Kinder kreativ werden. Hier ist alles im Fluss, die Kinder bauen und matschen und verändern den Lauf der Gräben und Hügel. Dazwischen schieben sich bunte Flächen durch das Gelände, auf denen die Frickenhausener artenreiche Pflanzengesellschaften eingesät haben. Weidentipis bieten schattige Rückzugsräume und in der Chillecke gibt es genügend Möglichkeiten, Hängematten aufzuhängen. Das Herzstück ist der Bereich, in dem junge Bäume im Kreis stehen. Frickenhausener Familien haben Bäume gespendet und selbst dort gepflanzt. Der Baumkreis mit den Familienbäumen hat etwas Magisches, und man kann sich gut vorstellen, dass alle, die einen Baum dort gepflanzt haben, ihm ein Leben lang verbunden bleiben.

Natur stößt an
Was wie zufällig und dennoch wie schon immer dort gewachsen erscheint, hat ein Gestaltungskonzept. „Wir haben uns die Landschaft und die Umgebung und die Formensprache der Natur angeschaut“, sagt Christof Wegner, „und daraus die Modellierung der Fläche und das Gebäude“ entwickelt.“ So einfach ist es. Wenn man einen Blick für die Landschaft hat, so wie er. Aber nicht nur den des Gärtnermeisters, der seit vielen Jahren in Frickenhausen lebt. Sondern vor allem als jemand, der die Menschen mag, mit denen er solche Projekte umsetzt, und der den unbedingten Glauben an die Kraft und in die Fähigkeiten der Gemeinschaft hat. „Ich habe alte Baustoffe für die Hütte rangeschafft, und erst waren die anderen ein bisschen skeptisch, aber dann haben sie angefangen, selbst Fenster und Türen zu bringen und Ideen zu entwickeln, wie man vorhandene Ressourcen nutzen kann“, erzählt er. „Eine Hütte wie früher sollte es dann werden, und schon hatten wir tolle Diskussionen über Baukultur und über Ressourcennutzung“, freut er sich.

Sinnvolles Tun erfüllt
Das Platzprojekt hat im Dorf einiges ausgelöst. Die Natur wieder zum Menschen bringen war das Ziel. Das ist offenbar gelungen. Das gemeinsame Bauen und Gestalten hat den „Platz oben“ zu einem Herzensprojekt aller gemacht, die daran mitgearbeitet haben. Etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft tun, das hat vielen der Beteiligten ein ganz persönliches Glücksgefühl beschert. Jeder und jede hat sich mit den eigenen Fähigkeiten eingebracht und wurde dafür wertgeschätzt. „Beim Arbeiten kamen wir ins Reden, und plötzlich haben sich die Leute geöffnet, weil sie das, was sie taten, als sinnstiftend erfahren haben, berichtet Christof Wegner. Der Platz sollte eben nicht nur die Ökologie bereichern, sondern auch das Zusammenleben im Dorf. Und er sollte die Menschen dafür sensibilisieren, die Natur mit anderen Augen zu betrachten und mehr darin zu sehen als die reine Zweckdienlichkeit. Dass der Platz während der Pandemie ein wichtiger Anziehungspunkt war, zeigt, wie wichtig er für die Resilienz eines Ortes geworden ist.

Mehr Natur im ganzen Dorf
Mittlerweile ist die Grundidee des Platzes bis in das Dorf hineingewachsen. Vor den Gartenzäunen bleiben blühende Grünstreifen stehen und so mancher Rasen im Garten darf sich bunter entwickeln. Gemeinde und Bauhof machen sich Gedanken darüber, die öffentlichen Grünflächen artenreicher zu entwickeln und in vielen Hofeinfahrten und Gärten blüht es wilder und vielfältiger. Das alleine hat der Frickenhausener Dorfgemeinschaft aber nicht gereicht. In Rundgängen durch den Ort und die Landschaft und in Gesprächskreisen machen sie sich Gedanken über die weitere Entwicklung des Dorfes. Dabei blicken sie tief in die eigene Geschichte und leiten daraus die Ansätze für das Neue ab. Auch auf ihrem „Platz oben“ gehen die Ideen nicht aus. 2021 entstand ein Kartoffel- und Bohnenfeld. Den Wert der Lebensmittel, die Ästhetik der Nutzpflanzen, das sind Themen, die damit angestoßen werden sollen. Der Boden, die Grundlage allen Lebens, ist ein weiteres Feld. Deshalb wird auf einer zusätzlichen Fläche künftig mit Terrassierungen experimentiert, um zu sehen, wie sich das auf Erosion und Humusaufbau auswirkt. Die Dinge sichtbar und begreifbar machen und im gemeinsamen Tun zum Um- und Weiterdenken bewegen, dafür hat sich der „Platz oben“ zu einer Keimzelle entwickelt, von der aus viel Bewegung im Dorf entstanden ist.

Sinnstiftend für Gemeinschaft und Natur
Andere Ortschaften blicken interessiert nach Frickenhausen und möchten das Konzept auf ihre Gemeinden übertragen. Im benachbarten Egg ist gemeinsam mit Christof Wegner und begeistert aktiven Bürgerinnen und Bürgern ein wenig spannender Naherholungsplatz am Ortsrand zu einem kreativen Begegnungsort geworden. Hier trifft sich Groß und Klein jetzt gerne zum Picknicken und Spielen und genießt die Blütenvielfalt, die sich aus der ökologischen Aufwertung entwickelt hat. Auch in Kempten und Bad Wörishofen entstehen gemeinsam mit Menschen, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in „etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft“ einbringen wollen, naturnahe Gärten und Flächen. Gemeinschaft erleben und dabei Wertvolles für die Natur und die Menschen zu tun – das Frickenhausener Rezept, es macht viele einfach glücklich.

Lesen Sie hier, wie es Christof Wegner gelingt, die Menschen für Projekte zu begeistern.
 
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